Hengaws Bericht über weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen im Iran im ersten Halbjahr 2025

Die Menschenrechtsorganisation Hengaw hat in einem neuen umfassenden Bericht für das erste Halbjahr 2025 ein alarmierendes Ausmaß an Grundrechtsverletzungen im Iran dokumentiert. Der statistische Bericht, der vom Statistik- und Dokumentationszentrum von Hengaw erstellt wurde, bietet einen detaillierten Überblick über die Zunahme von Hinrichtungen, willkürlichen Verhaftungen, systematischer Gewalt und anderen Verstößen.
Nach den von Hengaw in den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 gesammelten Daten
- 617 Gefangene wurden hingerichtet.
- 22 Kolbars (Grenzträger:innen) wurden getötet oder verletzt.
- 32 Zivilist:innen wurden durch direkten Beschuss der Staatskräfte getötet.
- 17 Personen wurden durch Landminen und Sprengstoffanschläge getötet oder verletzt.
- 29 Gefangene starben während ihrer Haft in iranischen Gefängnissen.
- 822 Personen mit überprüften Identitäten wurden verhaftet.
- 5 politische Aktivist:innen wurden zum Tode verurteilt.
- 150 politische Aktivist:innen erhielten insgesamt 401 Jahre und 11 Monate unmittelbare Haftstrafe, 20 Jahre und 4 Monate Haft auf Bewährung, und 7 Aktivisten wurden zusätzlich zu insgesamt 466 Peitschenhieben verurteilt.
- Mindestens 108 Frauen wurden von Familienmitgliedern bei häuslicher Gewalt getötet.
- Mindestens 22 Kinder und Jugendliche wurden verhaftet; ein Kinderstraftäter wurde hingerichtet, ein weiterer zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Mindestens 617 Gefangene im Iran in der ersten Hälfte des Jahres 2025 hingerichtet
Den aufgezeichneten Daten zufolge wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 mindestens 617 Gefangene in verschiedenen iranischen Gefängnissen hingerichtet, wobei die Identität von 589 Personen von der Menschenrechtsorganisation Hengaw bestätigt wurde.
Den Statistiken von Hengaw zufolge wurden mindestens 41 Hinrichtungen im Geheimen vollstreckt, wobei den Gefangenen ein letzter Besuch bei ihren Familien verweigert wurde. Nur 38 Hinrichtungen - das sind nur 6 % der Gesamtzahl - wurden offiziell über die staatlichen Medien bekannt gegeben.
Unter den Hingerichteten befanden sich 26 Personen, die wegen politischer oder religiöser Aktivitäten zum Tode verurteilt wurden, darunter die Beteiligung an der Bewegung „Jin, Jiyan, Azadi“ (Frau, Leben, Freiheit) oder „Spionage für Israel“. Diese Zahl ist doppelt so hoch wie die Gesamtzahl der politischen und religiösen Gefangenen, die im gesamten Jahr 2024 hingerichtet wurden.
Außerdem wurden in diesem Zeitraum mindestens 18 Frauen und ein jugendlicher Straftäter hingerichtet.
Ethnische/nationale Aufschlüsselung der Hingerichteten:
- 15% (91 Personen) waren Kurd:innen
- Mindestens 79 waren Belutsch:innen
- 76 waren Lur:innen
- 65 waren Türk:innen
- 26 waren Gilaker:innen
- 14 waren Araber:innen
- 7 waren Turkmen:innen
- 2 waren Sistanis
- 2 waren Tat:innen
- 159 waren Perser:innen
Bei 56 Personen bleibt die ethnische Identität unbekannt.
Außerdem wurden in diesem Zeitraum mindestens 40 afghanische Staatsangehörige in Iran hingerichtet.
Aufschlüsselung der Hinrichtungen nach Anklagepunkten:
- Drogendelikte: 289 Fälle (47 % aller Hinrichtungen)
- Vorsätzlicher Mord: 275 Fälle
- Politische, religiöse und Spionage-Anklagen: 26 Fälle
- Vergewaltigung: 19 Fälle
- Bewaffneter Raubüberfall: 8 Fälle
Geografische Verteilung:
Über 18 % der Hinrichtungen (112 Fälle) wurden in Gefängnissen in der Provinz Alborz vollstreckt. Weitere bemerkenswerte Zahlen sind:
- Provinz Khorasan Razavi: 48 Fälle
- Provinz Isfahan: 47 Fälle
- Provinz Sistan und Belutschistan: 34 Fälle
Bedingungen in den Gefängnissen: 29 Gefangene starben im Iran im ersten Halbjahr 2025
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Hengaw starben in den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 mindestens 29 Gefangene in iranischen Gefängnissen.
Todesursachen unter den Gefangenen:
4 Gefangene starben unter Folter, darunter 3 kurdische Gefangene und 1 lurische:r Gefangene:r.
17 Gefangene starben, weil sie keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hatten oder zu spät in medizinische Einrichtungen gebracht wurden.
4 Gefangene starben durch Selbstmord während der Haft.
Mindestens 3 Gefangene wurden bei Auseinandersetzungen mit anderen Gefangenen getötet.
Bei 1 Gefangenen ist die Todesursache noch unbekannt.
Unter den Verstorbenen waren 3 politische Gefangene, darunter 2 Kurd:innen und 1 Schweizer:in.
Weitere verstorbene Gefangene sind:
6 Gefangene, die wegen gewöhnlicher Straftaten angeklagt waren
3, die wegen Diebstahls angeklagt waren
3, die wegen vorsätzlichen Mordes angeklagt waren
10, die wegen Drogendelikten angeklagt waren
1, der/die wegen Finanzdelikten angeklagt war
Die Anklagen gegen 2 Gefangene sind noch nicht geklärt.
38 % (11 Gefangene) der verstorbenen Gefangenen waren Kurd:innen, 6 Belutsch:innen, 2 Lur:innen, 1 Gilaker:innen, 3 Perser:innen und 2 ausländische Staatsangehörige (aus Afghanistan und der Schweiz).
Die ethnische Zugehörigkeit von 4 Gefangenen, die in den Gefängnissen von Qarchak, Baneh, Hamedan und Ghezel Hesar (Karaj) starben, ist nicht bekannt.
32 Zivilist:innen im ersten Halbjahr 2025 durch direkten Beschuss von iranischen Staatskräften getötet
In den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 wurden in ganz Iran mindestens 32 Zivilist:innen durch direkten Beschuss von Staatskräften - einschließlich des Geheimdienstministeriums, der Revolutionsgarden der Islamischen Republik Iran (IRGC), der Grenzsoldaten und der iranischen Polizei - getötet. Unter den Opfern war auch eine Belutschin, die als Lehrerin arbeitete.
Alle in diesem Zeitraum getöteten Zivilist:innen gehörten einer ethnischen, nationalen oder religiösen Minderheit an.
Mit 25 Opfern (78 % der Gesamtzahl) entfiel der größte Anteil auf Angehörige der Belutschen. Darüber hinaus wurden auch mindestens 3 Kurd:innen, 2 Lur:innen, 1 Gilaker:innen und 1 Türk:in getötet.
Massenverhaftungen: Identitäten von 822 Verhafteten im ersten Halbjahr 2025 überprüft
In der ersten Hälfte des Jahres 2025 wurden mindestens 822 Personen - deren Identität von der Menschenrechtsorganisation Hengaw vollständig überprüft wurde - von Streitkräften der Islamischen Republik Iran verhaftet oder gewaltsam verschwunden. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass Hunderte weiterer Personen im Juni verhaftet wurden, deren Identität jedoch noch nicht überprüft wurde und die in diesem Bericht nicht berücksichtigt sind.
Von den verifizierten Personen waren 370 (45%) Kurd:innen, 170 (120,5%) Belutsch:innen, 50 Araber:innen, 40 Lur:innen, 33 Türk:innen und 12 Gilaker:innen.
Unter den Verhafteten befanden sich 22 Kinder und Jugendliche, darunter 10 belutschische, 9 kurdische und 3 lurische Kinder. Unter den Festgenommenen befanden sich auch 73 Frauen. Darüber hinaus wurden 13 Lehrer und Universitätsprofessoren, 8 Studenten und 10 Medienaktivisten verhaftet.
Unter den Inhaftierten befanden sich religiöse Aktivist:innen: 40 sunnitische Muslim:innen, zumeist Kurd:innen und Belutsch:innen, 31 Baha'is, 4 christliche Konvertiten und 5 Yarsanis (Ahl-e Haqq). Außerdem wurden 21 Anhänger:innen der Yamani-Bewegung verhaftet.
Opfer von Landminen und Sprengstoffen in Iran im ersten Halbjahr 2025
In der ersten Jahreshälfte 2025 wurden im Iran mindestens 17 Personen Opfer von Landminen oder Sprengstoffexplosionen. Bei diesen Vorfällen handelte es sich sowohl um Minen aus dem Iran-Irak-Krieg als auch um Minen, die von den Revolutionsgarden der Islamischen Republik Iran (IRGC) neu gelegt worden waren.
Unter diesen Opfern:
- 9 Personen verloren ihr Leben.
- 8 wurden verletzt oder erlitten Amputationen.
Einzelheiten zu den Opfern:
- 9 Opfer waren Kurd:innen.
- 9 waren Angehörige des Militärs.
Aufschlüsselung nach Provinzen:
- Provinz Kurdistan (Sanandaj): 6 Fälle
- Provinz Sistan und Belutschistan: 4 Fälle
- Provinz Kermanshah: 3 Fälle
- Provinz West-Aserbaidschan (Urmia): 2 Fälle
- Provinz Khuzestan: 1 Fall
- Provinz Ilam: 1 Fall
Diese Zahlen verdeutlichen die anhaltende Bedrohung durch Landminen und nicht zur Wirkung gelangte Kampfmittel, insbesondere in Grenzregionen und unterentwickelten Gebieten, wo Zivilisten und lokale Gemeinschaften nach wie vor einem hohen Risiko ausgesetzt sind.
Harte Strafen: Hinrichtungen, Inhaftierungen und Auspeitschungen für politische, zivile und religiöse Aktivisten im Iran
In der ersten Hälfte des Jahres 2025 wurden mindestens 155 politische, religiöse und zivile Aktivist:innen im Iran vor Gericht gestellt und von der Justiz der Islamischen Republik zu Strafen wie Hinrichtung, Haft und Auspeitschung verurteilt.
Mindestens fünf Personen - darunter zwei gilaki Aktivist:innen, zwei türkische Aktivist:innen und ein kurdische:r Aktivist:in - wurden zum Tode verurteilt.
Darüber hinaus wurden mindestens 150 politische, religiöse und zivile Aktivist:innen zu Gefängnisstrafen, Auspeitschungen und verschiedenen sozialen Einschränkungen verurteilt.
Mehr als 30 % der Verurteilten (47 Personen) waren Kurd:innen, während 34 weitere Personen anderen ethnischen und nationalen Minderheiten angehörten, darunter Türk:innen, Belutsch:innen und Lur:innen.
Darüber hinaus wurden 24 religiöse Aktivisten der Baha'i, 8 christliche Konvertiten und 5 kurdische sunnitische Aktivisten zu Haftstrafen verurteilt.
Gesamtzahl der ergangenen Urteile:
Insgesamt wurden diese Aktivisten zu 401 Jahren und 11 Monaten unmittelbarer (Ermessens-)Haft und 20 Jahren und 4 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Darüber hinaus erhielten 7 Aktivisten zusätzlich zu den Haftstrafen insgesamt 466 Peitschenhiebe.
Unter den Verurteilten: Ein Kind wurde zu einer Haftstrafe und Auspeitschung verurteilt.
42 Frauen wurden zu Hinrichtung, Haft oder Auspeitschung verurteilt, was 28 % aller Verurteilten ausmacht.
Mindestens 22 Kolbars im Iran in der ersten Hälfte des Jahres 2025 getötet oder verletzt
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Hengaw wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 mindestens 10 Kolbars (Grenzträger:innen) getötet und 12 weitere durch direkten Beschuss der iranischen Grenzsoldaten und der Revolutionsgarden der Islamischen Republik Iran (IRGC) verletzt.
Weitere Einzelheiten:
Ein 17-jähriges Kolbar-Kind wurde an der Grenze zu Nowsud verletzt.
Insgesamt waren 73 % der Fälle (16 Kolbars) die Folge von direktem Beschuss durch Grenzsoldaten.
Die diesjährigen Zahlen stellen die niedrigste Zahl von Todesopfern unter den Kolbars in den letzten Jahren dar.
Aufschlüsselung nach Provinzen:
- Provinz Kurdistan (Sanandaj): 16 Fälle (6 Tote, 10 Verletzte)
- Provinz Kermanshah: 5 Fälle (4 Tote, 1 Verletzter)
- Provinz West-Aserbaidschan (Urmia): 1 Fall (1 Verletzter)
108 Femizide in Iran im ersten Halbjahr 2025 verzeichnet
Nach Angaben des Statistik- und Dokumentationszentrums der Menschenrechtsorganisation Hengaw wurden in der ersten Jahreshälfte 2025 mindestens 108 Frauen im Iran getötet.
Mehr als 80 % dieser Morde wurden von engen Familienmitgliedern begangen, darunter Ehemänner, Väter, Brüder, Verlobte und andere Verwandte. Als Hauptmotiv für die meisten dieser Femizide wurden Familienstreitigkeiten angegeben.
Provinzen mit der höchsten Zahl von Femiziden
- Provinz Teheran: 16 Fälle
- Provinz Kermanshah: 13 Fälle
- Provinzen Ost-Aserbaidschan, Razavi Khorasan, West-Aserbaidschan (Urmia) und Fars: Je 6 Fälle
- Provinzen Alborz und Mazandaran: Jeweils 5 Fälle