Hengaw-Sonderbericht – Zunehmende rechtliche und wirtschaftliche Repression gegen Baha’i-Anhänger in Isfahan auf Grundlage von Artikel 49

29 Juli 2025 14:16

Hengaw – Dienstag, 29. Juli 2025
Im Zuge des wachsenden staatlichen Drucks auf die Baha’i-Gemeinschaft im Iran sehen sich mindestens 22 Baha’i-Anhänger in der Provinz Isfahan einer koordinierten rechtlichen und wirtschaftlichen Verfolgung auf Grundlage von Artikel 49 der Verfassung der Islamischen Republik ausgesetzt. Zusätzlich zu strafrechtlichen Anklagen wurden gegen sie separate Verfahren vor Artikel-49-Gerichten eingeleitet – ohne offizielle Benachrichtigung oder Zugang zu Rechtsbeistand –, was zu Enteignungen und einem vollständigen Verbot finanzieller Transaktionen geführt hat.

Laut Berichten, die der Menschenrechtsorganisation Hengaw vorliegen, wurden im vergangenen Jahr mehrere Baha’i-Anhänger in Isfahan vor ein Sondergericht geladen, das unter Artikel 49 operiert. Diese Personen dürfen seitdem keine Immobilien oder Fahrzeuge mehr kaufen, verkaufen oder übertragen. In mehreren Fällen wurden Fahrzeuge unmittelbar nach öffentlicher Identifikation beschlagnahmt.

Informierte Quellen berichten, dass das Gericht – unter Vorsitz von Richter Morteza Barati – jeweils kurz nach Eröffnung der Verfahren Urteile mit dem Vermerk „Transaktionsverbot“ erließ. Enteignungsverfügungen wurden bereits gegen mehrere Personen vollstreckt.

Geheimjustiz und Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien

Viele dieser Verfahren nach Artikel 49 wurden nie offiziell im Justizsystem des Iran registriert, und den Anwälten der Angeklagten wurde der Zugang zu den Akten verwehrt. Diese Intransparenz stellt eine klare Verletzung der rechtsstaatlichen Prinzipien dar und beraubt die Angeklagten ihres Rechts auf Verteidigung – was ernsthafte Bedenken hinsichtlich fortgesetzter diskriminierender Praktiken gegen Baha’i-Anhänger aufwirft.

Was ist Artikel 49?

Artikel 49 der iranischen Verfassung ermächtigt den Staat, Vermögen zu beschlagnahmen, das durch „unrechtmäßige Mittel“ erworben wurde – darunter Wucher, Bestechung, Unterschlagung, Glücksspiel, Missbrauch von Regierungsverträgen oder der Betrieb unmoralischer Einrichtungen.

Ursprünglich als Instrument zur Korruptionsbekämpfung gedacht, wird Artikel 49 zunehmend – insbesondere durch die Organisation „Execution of Imam Khomeini’s Order“ (EIKO) – als rechtliche Grundlage zur Enteignung religiöser und ethnischer Minderheiten genutzt.

Im Fall der Baha’i-Anhänger beruhte die Anwendung nicht auf finanziellen Beweisen, sondern allein auf ihrer religiösen Zugehörigkeit – und erfolgte ohne rechtsstaatliches Verfahren.

Systematische Diskriminierung der Baha’i-Gemeinschaft

Die Baha’i-Gemeinschaft im Iran ist seit langem institutioneller Diskriminierung ausgesetzt – darunter der Ausschluss vom Hochschulzugang, Berufsverbote, wirtschaftliche Einschränkungen und Enteignungen. Diese Praktiken verstoßen gegen internationale Menschenrechtsstandards und zielen auf eine systematische Auslöschung der Baha’i-Präsenz im öffentlichen Leben.

Neben juristischen und wirtschaftlichen Maßnahmen werden Baha’i wiederholt mit konstruierten Anklagen konfrontiert, erleben Hausdurchsuchungen, Drohungen sowie die unrechtmäßige Beschlagnahmung persönlicher Gegenstände. Diese Maßnahmen dienen der Einschüchterung und Isolation der Gemeinschaft sowie der Beschränkung ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe.

Wirtschaftliche Verfolgung in Schiras

Im Mai 2025 wurden dutzende Baha’i-Geschäftsinhaber in Schiras vorgeladen, verhört und angeklagt, weil sie ihre Läden an einem Baha’i-Feiertag geschlossen hatten. Sicherheitsbehörden stuften das Verhalten als „Förderung einer irreführenden Sekte“ und „Propaganda gegen den Staat“ ein.

Dies geschah trotz der Tatsache, dass Baha’i-Feiertage gemäß den Handelsbestimmungen des Iran zulässig sind. Die Gemeinschaft begeht lediglich neun religiöse Feiertage im Jahr. Solche Vorfälle sind Teil einer breiteren Kampagne gezielter wirtschaftlicher Repression gegen religiöse Minderheiten im Kontext der zunehmenden inneren Krise des Iran.

Neue Repressionswelle nach Iran-Israel-Konflikt

Nach dem Ausbruch des Kriegs zwischen Iran und Israel erlebte die Baha’i-Gemeinschaft – insbesondere in Isfahan – eine neue Welle von Verhaftungen und sicherheitsbehördlichem Druck. Sicherheitskräfte drangen ohne Durchsuchungsbefehl in Dutzende Wohnungen ein, konfiszierten Mobiltelefone, Laptops und andere persönliche Gegenstände und setzten Familien psychologischen Drohungen und Einschüchterungen aus.

Die Menschenrechtsorganisation Hengaw äußert tiefe Besorgnis über die anhaltende und eskalierende Repression der Baha’i-Gemeinschaft im Iran. Hengaw ruft zu sofortiger internationaler Aufmerksamkeit und Intervention auf – insbesondere durch den UN-Sonderberichterstatter für Religions- oder Glaubensfreiheit – um diese weit verbreiteten und systematischen Menschenrechtsverletzungen anzugehen.

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