Hengaw-Sonderbericht: Schwere Menschenrechtsverletzungen in Kurdistan trotz Waffenstillstand zwischen Iran und Israel

30 Juni 2025 20:42

Hengaw – Montag, 30. Mai 2025

Nach dem Ausbruch des Krieges zwischen der Islamischen Republik Iran und Israel kam es im ganzen Land zu einer massiven Welle der Repression und Massenverhaftungen – mit besonders drastischen Folgen in Kurdistan. Kurdische Städte sind überproportional von diesen Maßnahmen betroffen, darunter Massenverhaftungen, politische Hinrichtungen, staatlich legitimierte Tötungen und militärische Besetzung.

In den letzten Tagen wurden über 300 Kurdinnen und Kurden von iranischen Sicherheitskräften festgenommen. Unter den Festgenommenen ist eine Person unter Folter gestorben, ein Kind und ein junger Mann wurden getötet, und drei kurdische politische Gefangene wurden hingerichtet.

Auf Grundlage von Felddaten und verifizierten Dokumentationen beleuchtet dieser Bericht der Hengaw-Organisation für Menschenrechte die zunehmende Repression in Kurdistan – darunter willkürliche Verhaftungen, Folter, Todesfälle in Gewahrsam, außergerichtliche Hinrichtungen, Besetzung öffentlicher Räume und die anhaltende Militarisierung der Region.

Massenverhaftungen in Kurdistan

Laut Hengaw wurden über 300 Personen in Kurdistan festgenommen. Darunter befinden sich viele Frauen und minderjährige Mädchen – allein in Mahabad mindestens 18 Mädchen unter 18 Jahren, in Qasr-e Shirin sechs Frauen.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hat Hengaw die Identität von 69 Inhaftierten bestätigt, aufgeschlüsselt nach Provinzen und Städten:

 

Provinz West-Aserbaidschan (Urmia)

Mahabad (19):
Soroush Yousefzadeh, Mehran Khediripour, Pouria Nasiri, Keyvan Mamegoli, Omid Rash, As’ad Rasoulzadeh, Nouraldin Dodkanlou, Shaho Mahmoudi, Soran Safari, Khaled Bakri, Mohammad Bakri, Sa’doun Ghazali, Khabat Kardani, Mohammad Lotfifar, Rahman Mam-Ismaeil, Naser Elyasi, Hejar Asadpour, Keyvan Ashtab, Rebwar Mostafazadeh

Bukan (7):
Esmaeil Esmaeili, Behrouz Yazdanpanah, Anwar Bayzidi, Ayoub Khosrouzadeh, Karim Qaderpour, Behrouz Sharifi, Keyvan Soleimani

Naqadeh (6):
Amin Bashouki, Rahman Khalkhali, Farhad Karimi, Kaveh Qaderi, Saman Seyed-Mahmoudian, Saman Kakemami

Piranshahr (7):
Aryan Mashaikh, Sadegh Mahmoudnejad, Ahmad Mam-Sharifi, Seyed Rahman Hosseini, Yousef Bazargan, Naseh Eizen, Hassan Fallahian

Oshnavieh (6):
Edris Rasouli, Kamran Rasouli, Khaled Bayzidi, Omar Mohammadi, Soleiman Qader Gelvan, Kamal Oghabi

Urmia (4):
Afshin Azizi, Kako Azizi, Bakhtiar Azizi, Alireza Khaledi

Qotour (1):
Amin Sadoui

 

Provinz Kurdistan (Sanandaj)

Saqqez (3):
Milad Rahimi, Hadi Rahimi, Omid Abdi-Khah

Sanandaj (1):
Jalal Khodamoradi

Divandareh (2):
Fouad Moradi, Abdul Rasouli

Qorveh (1):
Masoud Amiri

Marivan (7):
Ayub Darbarzin, Hemin Ranjbar, Ehsan Osmani, Hamzeh Osmani, Abdollah Bakha, Omid Bakha, Ramyar Rezaei

 

Dehloran (2):
Kianoush Cheraghi, Akram Sabzi

 

Provinz Kermanshah (Kermashan)

Mahidasht (1):
Fouad Alikhani

Kuhdasht (1):
Rostam Bagheri

Qasr-e Shirin (1):
Askar Najafi

 

Tötungen durch Folter und Schusswaffen

Hengaw dokumentierte mehrere Tötungen durch die Revolutionsgarde (IRGC), darunter auch ein 9 Monate altes Baby. Die bestätigten Opfer:
    •    Fouad Alikhani (41) aus Mahidasht starb am 22. Juni 2025 unter Folter in IRGC-Gewahrsam in Kermanshah.
    •    Azad Ranaei aus Doushan wurde am 25. Juni 2025 an einem IRGC-Kontrollpunkt in Sanandaj erschossen.
    •    Sarmad Sajadi, ein 9 Monate altes Baby aus Marivan, wurde am 20. Juni 2025 durch Granatsplitter bei IRGC-Flugabwehrmaßnahmen getötet.

 

Hinrichtungen und Verschwindenlassen kurdischer Gefangener

Drei kurdische politische Gefangene – Azad Shojaei und Edris Ali (beide aus Sardasht) sowie Rasoul Ahmad Rasoul (aus Sulaymaniyah, Region Kurdistan/Irak) – wurden am 25. Juni 2025 im Gefängnis von Urmia wegen angeblicher Spionage für Israel heimlich hingerichtet.

Die Hinrichtungen erfolgten ohne vorherige Ankündigung, die Familien erhielten kein letztes Besuchsrecht, die Leichen wurden nicht übergeben, und Trauerfeiern wurden untersagt.

 

Militarisierung öffentlicher Räume in Kurdistan

Hengaw berichtet von einer zunehmenden Militarisierung der Region Kurdistan, darunter:
    •    Artillerie-Stellungen im Gzan-Gebirge bei Bayangan (Bezirk Paveh)
    •    Militärkonvois in Bukan
    •    Besetzung von Schulgebäuden, z. B. der Kosar-Mädchengrundschule in Sardasht
    •    Farabi-Krankenhaus in Kermanshah dient nun als Munitionslager – ein möglicher Kriegsverstoß und Einsatz von Zivilisten als menschliche Schutzschilde
    •    In Mahabad: massive, gewaltsame Durchsuchungen von Handys und Fahrzeugen, die zu weiteren Festnahmen führten

 

Druck auf Wehrpflichtige und Hinrichtungsdrohungen

Es gibt zunehmenden Druck auf Wehrdienstleistende, denen bei Desertion Hinrichtung oder schwere Strafen angedroht werden. Diese Drohungen haben sich verschärft, nachdem über 70 iranische Soldaten in der Provinz Kermanshah ums Leben gekommen sind.

 

Kriminalisierung von Meinungsäußerung und öffentlicher Stimmung

Nach Beginn des Kriegs verschickte die Justiz Kurdistans Massen-SMS an die Bevölkerung, in denen gewarnt wurde, dass Freude oder kritische Äußerungen in sozialen Medien als Straftat behandelt würden. Jegliches Verhalten, das aus Regierungssicht unangebracht erscheint, sollte verfolgt werden.

Hengaw betrachtet dies als eindeutige Verletzung der Meinungsfreiheit und Versuch, abweichende Meinungen zu unterdrücken und die öffentliche Meinung zu kontrollieren.

 

Hengaws Appell: Internationale Reaktion erforderlich

Die Hengaw-Organisation für Menschenrechte verurteilt die systematische Repression gegen die kurdische Bevölkerung aufs Schärfste. Sie fordert die internationale Gemeinschaft, Menschenrechtsorganisationen und globale Institutionen dringend auf:
    •    Sofortige Maßnahmen gegen diese gravierenden Menschenrechtsverletzungen
    •    Unabhängige Untersuchungen der dokumentierten Missstände
    •    Rechenschaftspflicht der Islamischen Republik Iran für das anhaltende und systematische Unrecht in Kurdistan

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