Hengaw-Bericht über landesweiten Streik der Lkw-Fahrer in 130 Städten Irans

Hengaw – Mittwoch, 28. Mai 2025
Lkw-Fahrer und Fahrer schwerer Nutzfahrzeuge haben am Donnerstag, dem 18. Mai 2025, nach Aufrufen unabhängiger Arbeitergewerkschaften einen landesweiten Streik begonnen. Inzwischen befindet sich der Streik am siebten Tag und hat ein beispielloses Ausmaß im ganzen Iran erreicht.
Die Menschenrechtsorganisation Hengaw hat auf Grundlage von Feldrecherchen, lokalen Quellen und verifizierten Daten eine umfassende Analyse des Streikgeschehens durchgeführt. Bis zum siebten Tag hatte sich der Streik auf mindestens 130 Städte im ganzen Land ausgeweitet – einer der größten Arbeits- und Protestbewegungen im iranischen Transportsektor seit Jahrzehnten. Dieser Bericht beleuchtet detailliert die Arbeitsbedingungen der Fahrer, die Reaktion der Regierung und menschenrechtliche Aspekte.
Ursprung und Ausweitung des Streiks
Der Streik begann in der südlichen Hafenstadt Bandar Abbas und breitete sich rasch auf zentrale, nördliche, südliche, westliche und östliche Regionen aus. In Großstädten wie Teheran, Isfahan, Sanandaj (Sna), Kermanshah (Kermashan), Shiraz, Maschhad, Täbris, Ahvaz und Zahedan wurde der Lkw-Verkehr weitgehend eingestellt. Fotos und Berichte belegen, dass zahlreiche Fahrzeuge an Terminals und Hauptverkehrsstraßen stillstehen, begleitet von Protestplakaten.
Soziale Medien spielen eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung und Koordination der Teilnehmer; umfangreiche Videodokumentationen belegen die organisierte und geschlossene Durchführung des Streiks.
Zentrale Forderungen und Hintergründe der Fahrer
Rechtliche und arbeitsrechtliche Bewertungen zeigen, dass Lkw-Fahrer mit zahlreichen systemischen Problemen konfrontiert sind, die von der Regierung ignoriert oder verschärft wurden. Die Hauptforderungen umfassen:
• Die intransparente Verdreifachung der Dieselpreise und die plötzliche Kürzung der subventionierten Kraftstoffzuteilung von 3.000 Litern auf 500 Liter ohne vorherige Ankündigung.
• Massive Preissteigerungen bei Ersatzteilen und technischen Dienstleistungen, darunter Reifen und Reparaturen.
• Ein deutliches Missverhältnis zwischen den Frachtvergütungen und den tatsächlichen Betriebskosten der Fahrer.
• Überhöhte Steuern, unverhältnismäßige Bußgelder und weit verbreitete Korruption an Kontrollstellen.
• Das Fehlen einer unabhängigen, wirksamen Gewerkschaft, die nicht staatlich kontrolliert ist und die Rechte der Fahrer vertreten kann.
• Anhaltende Repression und Einschüchterung von Arbeitsaktivisten sowie die Weigerung der Behörden, legitime Forderungen anzuerkennen.
Geografische Verbreitung und Beteiligung
Der Streik ist weiterhin in über 130 Städten aktiv – von den südlichen Häfen bis zu den nördlichen Städten sowie über zentrale, westliche und östliche Provinzen hinweg. Besonders stark dokumentierte Beteiligung gibt es in den Provinzen Fars, Isfahan, Ost-Aserbaidschan, West-Aserbaidschan (Urmia), Razavi Khorasan, Sistan und Belutschistan, Teheran, Kurdistan, Kermanshah, Ilam und Lorestan.
In Grenzregionen wurde der Lkw- und Tankerverkehr stark beeinträchtigt. Grenzübergänge wie Bashmaq (Marivan), Parvizkhan (Qasr-e Shirin) und Tamarchin (Piranshahr) wurden teilweise geschlossen, was regionale wirtschaftliche und sicherheitspolitische Auswirkungen hat.
Reaktion der Regierung und Repression
Statt den Dialog zu suchen oder die Forderungen anzuhören, reagierten iranische Behörden mit verschärfter Repression und Einschüchterung:
• In Sanandaj setzten Sicherheitskräfte Tränengas und Pfefferspray gegen Versammlungen ein und nahmen mehrere Fahrer fest. Auch Sedigh Mohammadi wurde öffentlich von Geheimdienstmitarbeitern festgenommen.
• In Dehgolan verhafteten Geheimdienstkräfte mindestens zwei streikende Fahrer.
• In Islamabad-e Gharb wurde Shahab Darabi wegen seiner Unterstützung des Streiks gewaltsam festgenommen.
• Aus Sirjan und Kermanshah wurden Drohungen, Vorladungen und Festnahmen gemeldet.
• Die Revolutionsgarde (IRGC) erklärte in einer Stellungnahme die Festnahme mehrerer Personen, denen „Störung der Straßensicherheit“ vorgeworfen wird.
Solidarität und breitere Unterstützung
Die iranische Gewerkschaft der Lkw-Fahrer und Transportarbeiter gab eine offizielle Erklärung ab, in der sie ihre uneingeschränkte Unterstützung für den Streik bekräftigte und dessen Fortsetzung bis zur Erfüllung aller Forderungen ankündigte. Die Gewerkschaft verurteilte die repressiven Maßnahmen der Regierung und forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung aller festgenommenen Mitglieder:
„Statt auf legitime Forderungen zu reagieren, hat sich die Regierung für einen Kurs der Repression und Einschüchterung entschieden. Wir fordern die sofortige und bedingungslose Freilassung unserer festgenommenen Kollegen.“
Zusätzliche Solidaritätskundgebungen fanden durch andere Berufsgruppen statt – darunter Bäcker, Lehrer, pensionierte Stahl- und Bergarbeiter sowie Angestellte des Tabakkomplexes von Gilan. Diese Aktionen spiegeln die breite gesellschaftliche Unzufriedenheit mit der aktuellen Wirtschaftspolitik, struktureller Diskriminierung und dem Fehlen legaler Wege für friedlichen Protest wider.
Menschenrechtliche Bewertung und Forderung nach Rechenschaft
Die Organisation Hengaw betont die grundlegenden Rechte auf Versammlungsfreiheit, friedlichen Protest und gewerkschaftliche Organisation, wie sie in internationalen Menschenrechtsabkommen verankert sind. Sie verurteilt jede Form von Zwang, Bedrohung, Festnahme und Gewaltanwendung gegen Protestierende als schwerwiegende Verletzung der internationalen Verpflichtungen Irans.
Hengaw ruft internationale Menschenrechtsorganisationen und die Weltgemeinschaft dazu auf, die Situation genau zu beobachten und die iranische Regierung zur Einhaltung und Achtung der Arbeits- und Menschenrechte ihrer Bürger zur Rechenschaft zu ziehen.