Mykonos-Attentate – 33 Jahre danach setzt der Iran seine Strategie der Verfolgung von Gegnern im Ausland fort

18 September 2025 14:13

Seit mehr als vier Jahrzehnten betreibt die Islamische Republik Iran politische Repression über ihre Grenzen hinaus und verfolgt eine systematische Politik gezielter Attentate, Entführungen, des Verschwindenlassens und der Bedrohung exilierter Aktivisten.

Am 17. September 1992 wurden drei führende Mitglieder der Demokratischen Partei Kurdistans im Iran – Dr. Sadegh Sharafkandi (Generalsekretär), Fattah Abdoli (Mitglied des Zentralkomitees und Vertreter der Partei in Europa) und Homayoun Ardalan (Vertreter der Partei in Deutschland) – sowie Nouri Dehkordi, politischer Aktivist und Übersetzer, im Mykonos-Restaurant in Berlin von mit dem iranischen Staat verbundenen Tätern ermordet. Dieser Anschlag war Teil einer breiteren Strategie, die bereits die „Kettenmorde“ und die Tötungen von Oppositionellen in der Kurdistan-Region im Irak, in der Türkei und in ganz Europa umfasst hatte.

Nach fünf Jahren juristischer Verfahren endete der Mykonos-Prozess am 10. April 1997 mit einem wegweisenden Urteil. Das Berliner Gericht stellte fest, dass die Attentate vom „Komitee für besondere Angelegenheiten“ auf höchster Ebene der iranischen Regierung gebilligt und angeordnet worden waren. Dieses Komitee umfasste hochrangige Funktionäre; Ali Fallahian, damaliger Geheimdienstminister, wurde ausdrücklich als Hauptinitiator genannt. Auch die indirekte Verstrickung weiterer Spitzenvertreter wie Ali Khamenei (Oberster Führer), Akbar Hashemi Rafsanjani (damaliger Präsident) und Ali Akbar Velayati (damaliger Außenminister) wurde festgestellt, auch wenn sie mangels direkter Beweise nicht formell als Drahtzieher verurteilt wurden.

Das Urteil machte deutlich, dass es sich nicht um Einzelfälle handelte, sondern um eine systematische Politik der iranischen Behörden zur Ausschaltung politischer Gegner. Ähnliche Muster zeigten sich bei den Morden an Abdul Rahman Ghassemlou 1989 und Shapour Bakhtiar 1991. Zum ersten Mal hielt ein europäisches Gericht einen bestehenden Staat – die Islamische Republik Iran – für die Organisation von Staatsterrorismus verantwortlich.

Dieses Urteil markierte einen Wendepunkt im Völkerrecht. Es unterstrich das Prinzip staatlicher Verantwortlichkeit für Verbrechen jenseits nationaler Grenzen und erkannte im europäischen Rechtsrahmen den Begriff des staatlich organisierten Terrorismus gegen politische Gegner an. Zudem führte das Urteil zu einer diplomatischen Krise, die die Europäische Union veranlasste, ihre Beziehungen zum Iran vorübergehend auszusetzen.

Die Mykonos-Attentate stellten nicht das Ende dieser Strategie dar, sondern waren Teil einer bis heute bestehenden Politik. Dokumentierte Beweise zeigen, dass die iranischen Behörden in den vergangenen drei Jahrzehnten:
    •    zahlreiche Attentate oder Mordversuche auf kurdische, belutschische, arabische und andere Oppositionelle in der Kurdistan-Region im Irak und in der Türkei durchgeführt haben,
    •    Entführungen und Mordpläne gegen Journalist:innen und Menschenrechtsverteidiger:innen in Europa und den USA vorbereitet haben,
    •    Diffamierungskampagnen betrieben, direkte Drohungen ausgesprochen und psychologischen Druck auf Menschenrechtsaktivist:innen ausgeübt haben, wobei unabhängige Organisationen und Einzelpersonen gezielt ins Visier genommen wurden.

Diese Handlungen zeigen, dass es sich nicht um improvisierte Maßnahmen handelt, sondern um eine fest verankerte Strategie der Sicherheits- und Machtapparate Irans, Kritiker zum Schweigen zu bringen.

Der Mykonos-Prozess hat bewiesen, dass hochrangige iranische Funktionäre durch internationale Justizmechanismen rechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Das Ausbleiben nachhaltiger Konsequenzen und die begrenzte internationale Koordination nach dem Urteil haben jedoch ermöglicht, dass staatlich gesteuerte Attentate weiterhin stattfinden.

Das Völkerrecht bietet mehrere Instrumente zur Rechenschaftspflicht. Staaten können das Prinzip der universellen Jurisdiktion anwenden, um Verantwortliche für schwere Menschenrechtsverletzungen, einschließlich staatlich gelenkter Morde, zu verfolgen – auch wenn dies von der jeweiligen nationalen Gesetzgebung abhängt. Zudem sollten Mechanismen des UN-Menschenrechtsrats, wie die Sonderberichterstatter, darunter der Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte im Iran, aktiv genutzt werden, um Verstöße zu dokumentieren und Gerechtigkeit einzufordern. Auch die internationale Gemeinschaft kann gezielte Sanktionen verhängen, etwa durch die EU-Menschenrechtsmaßnahmen oder Sanktionen nach dem Magnitsky-Mechanismus, trotz Hindernissen wie Umgehungsstrategien oder politischen Differenzen.

33 Jahre nach den Mykonos-Attentaten verfolgt die Islamische Republik weiterhin eine Politik der transnationalen Repression. Hengaw ehrt das Andenken der Opfer dieses historischen Verbrechens und warnt davor, dass das Ignorieren der Politik der physischen Eliminierung von Gegnern das Risiko erhöht, dass sich Tragödien wie Mykonos wiederholen. Die Weltgemeinschaft trägt die Verantwortung, eine klare Haltung gegen Staatsterrorismus einzunehmen und politische Aktivisten sowie Menschenrechtsverteidiger in Europa, den USA und der weiteren Region unmissverständlich zu unterstützen.

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