Hengaw-Bericht Nr. 3 über Verhaftungen im Zuge des Iran-Israel-Krieges: Mindestens 530 Festnahmen, darunter 30 Frauen und zwei europäische Staatsangehörige

Hengaw – Montag, 23. Juni 2025
Die Hengaw-Organisation für Menschenrechte hat die Festnahme von mindestens 530 Personen im gesamten Iran in den ersten zehn Tagen nach dem Ausbruch direkter Feindseligkeiten zwischen der Islamischen Republik Iran und dem Staat Israel dokumentiert. Diese Festnahmen wurden von den iranischen Sicherheitskräften im Rahmen einer sich ausweitenden Repressionswelle unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit durchgeführt.
Nach den vorliegenden Informationen lauten die Anklagen gegen die Festgenommenen unter anderem auf „Spionage für Israel“, „Propaganda gegen den Staat“ und „Verbreitung öffentlicher Unruhe“. Unter den Verhafteten befinden sich mindestens 30 Frauen, zwei afghanische Staatsangehörige und zwei europäische Staatsbürger. Am Sonntag, dem 22. Juni 2025, wurde der politische Gefangene Majid Masibi nach dem Vorwurf der „Spionage für Israel“ ohne faires Verfahren und ohne vorherige öffentliche Bekanntgabe hingerichtet.
⸻
Regionale Verteilung der Festnahmen
Die vom Statistik- und Dokumentationszentrum von Hengaw gesammelten Daten zeigen folgende Verteilung nach Provinzen:
• Provinz Chuzestan: 67
• Provinz Teheran: 64 (darunter 1 afghanischer Staatsbürger und 1 Frau)
• Provinz Fars: 53
• West-Aserbaidschan (Urmia): 51 (darunter 18 Mädchen unter 18 Jahren)
• Lorestan: 41
• Hamadan: 30
• Razavi-Chorasan: 24 (darunter 2 Frauen)
• Qom: 22
• Semnan: 21
• Kerman: 20 (darunter 1 Frau)
• Isfahan: 19
• Buschehr: 19 (darunter 1 afghanischer Staatsbürger)
• Mazandaran: 16
• Hormozgan: 14
• Golestan: 11
• Qazvin: 10 (darunter 2 Frauen)
• Kermanschah (Kermashan): 9 (darunter 6 Frauen und 1 europäischer Staatsbürger)
• Yazd: 8
• Ardabil: 5
• Alborz: 4
• Kurdistan (Sanandadsch): 2
• Ilam: 2
• Ost-Aserbaidschan: 2
• Tschaharmahal und Bachtiari (Shahrekord): 1
• Nord-Chorasan: 1
• Kohgiluyeh und Boyer-Ahmad: 1 (darunter 1 europäischer Staatsbürger)
• Gilan: 1
Zusätzlich berichten staatsnahe Medien von acht Festnahmen in einer nicht genannten Grenzstadt und fünf weiteren Festnahmen in einer nicht näher bezeichneten Provinz – eine der festgenommenen Personen soll sich in Gewahrsam das Leben genommen haben. Weitere Festnahmen wurden aus Bukan, der Provinz Markazi sowie Kohgiluyeh und Boyer-Ahmad gemeldet, genaue Zahlen sind jedoch nicht bekannt.
Festnahmen von Frauen und Minderjährigen
Mindestens 30 Frauen wurden im Zuge der Repression festgenommen, darunter:
• 6 in Qasr-e Shirin
• 2 in Razavi-Chorasan
• 2 in Qazvin
• 1 in Kerman
• 1 in Teheran
Ein früherer Hengaw-Bericht dokumentierte die Festnahme von 18 Mädchen unter 18 Jahren in Mahabad wegen ihrer Aktivitäten in sozialen Medien. Sie wurden später gegen Kaution freigelassen. Insgesamt handelt es sich bei 25 der 30 festgenommenen Frauen um Kurdinnen, was ihre überproportionale Zielscheibe verdeutlicht. Diese Verhaftungswelle stellt eine gravierende Eskalation der staatlichen Unterdrückung der Meinungsfreiheit dar – insbesondere gegen Frauen und ethnische Minderheiten.
Ausländische Staatsangehörige unter den Festgenommenen
Hengaw bestätigte die Festnahme von zwei afghanischen Staatsangehörigen (jeweils einer in Teheran und Buschehr) sowie zwei europäischen Staatsbürgern, einer in Kermanschah, einer in Kohgiluyeh und Boyer-Ahmad.
Hinrichtung ohne ordentliches Verfahren
Majid Masibi, dem zuvor Spionage für Israel vorgeworfen wurde, wurde am 22. Juni 2025 heimlich hingerichtet. Der Ort der Hinrichtung bleibt unbekannt, ein rechtsstaatliches Verfahren fand nicht statt. Hengaw bezeichnet die Hinrichtung als politisch motivierte Vergeltungsmaßnahme.
Die Organisation hatte bereits zuvor gewarnt, dass die iranische Regierung den Kriegszustand nutzen könnte, um langjährige Todesurteile unter dem Vorwand der Spionage zu vollstrecken – als Instrument der Machtdemonstration.
Eskalation durch Notstandsgesetze
Die Justizverfolgung wird weiter verschärft. Das Ministerium für Nachrichtendienste und die Justizbehörde ordneten beschleunigte Verfahren unter verschärften Bedingungen an. Der Oberste Nationale Sicherheitsrat verkündete, dass jegliche vermeintliche Unterstützung Israels mit härtesten Strafen geahndet werde.
Parallel verabschiedete das Islamische Konsultativparlament ein dringliches Gesetz mit dem Ziel, die Strafen für Zusammenarbeit mit ausländischen Regierungen zu verschärfen.
Hengaws Appell zum Schutz der Menschenrechte
Die Hengaw-Organisation für Menschenrechte verurteilt die laufenden Verhaftungen und Hinrichtungen aufs Schärfste. Sie betont, dass die Islamische Republik Iran politisch motivierte Anklagen systematisch nutzt, um Kritiker*innen zum Schweigen zu bringen und Grundrechte zu unterdrücken.
Hengaw fordert die internationale Gemeinschaft und Menschenrechtsorganisationen eindringlich auf, sofortige und koordinierte Maßnahmen gegen diese eskalierenden Verstöße zu ergreifen und die unabhängige Überwachung des rechtlichen Status, der Behandlung und der Sicherheit der Inhaftierten sicherzustellen.