Hengaw-Bericht Nr. 4 zur Verhaftungswelle im Iran-Israel-Krieg: Mindestens 734 Festnahmen, darunter 32 Frauen, zwei afghanische Staatsangehörige und acht europäische Staatsbürger

26 Juni 2025 17:59

Hengaw – Donnerstag, 26. Juni 2025

Die Hengaw-Organisation für Menschenrechte bestätigt in ihrem vierten dokumentierten Bericht seit Ausbruch des Krieges zwischen der Islamischen Republik Iran und dem Staat Israel, dass in den letzten 13 Tagen in verschiedenen iranischen Provinzen mindestens 734 Personen festgenommen wurden. Bisher hat Hengaw die Identität von 60 dieser Festgenommenen bestätigt.

Diese Verhaftungswelle spiegelt das zunehmende Vorgehen des Staates gegen Zivilisten wider. Unter den Festgenommenen befinden sich 32 Frauen, zwei afghanische Staatsangehörige und acht europäische Staatsbürger, darunter eine Frau. Die meisten wurden von iranischen  Geheimdiensten wegen „Spionage für Israel“, „Propaganda gegen den Staat“ und „Störung der öffentlichen Meinung“ festgenommen.

 Festnahmen nach Provinz

Laut Angaben des Statistik- und Dokumentationszentrums von Hengaw wurden die meisten Festnahmen in den folgenden Provinzen verzeichnet:

Kermanshah (Kermashan): 126 (darunter sechs Frauen und eine europäische Staatsbürgerin)

Teheran: 73 (darunter eine Frau und eine afghanische Staatsbürgerin)

Khuzestan: 67

West-Aserbaidschan (Urmia): 59 (darunter 18 Mädchen unter 18 Jahren)

Fars: 56

Lorestan: 51

Gilan: 40

Hamadan: 37 (darunter eine europäische Staatsbürgerin)

Razavi-Chorasan: 24 (darunter zwei Frauen)

Isfahan: 24 (darunter drei ukrainische Staatsbürgerinnen)

Qom: 22

Semnan: 21

Kerman: 21 (darunter eine Frau)

Buschehr: 19 (darunter eine afghanische Staatsbürgerin)  Staatsangehöriger)

Mazandaran: 17 (darunter eine Europäerin)

Hormozgan: 15 (darunter eine Europäerin)

Golestan: 11

Qazvin: 10 (darunter zwei Frauen)

Yazd: 8

Ardabil: 5

Alborz: 4

Ost-Aserbaidschan: 3

Kurdistan (Sanandadsch): 2

Ilam: 4 (darunter eine Frau)

Chaharmahal und Bakhtiari (Shahrekord): 1

Nord-Chorasan: 1

Kohgiluyeh und Boyer-Ahmad: 1 (darunter eine Europäerin)

Sistan und Belutschistan: 1

Zusätzlich zu den Statistiken auf Provinzebene berichteten staatliche Medien über die Festnahme von acht weiteren Personen in einer weiteren, nicht genannten Provinz. Eine dieser Personen beging Berichten zufolge während der Haft Selbstmord.  Es gibt außerdem unbestätigte Berichte über weitere Festnahmen in Bukan, der Provinz Markazi, Kohgiluyeh und Boyer-Ahmad sowie unter Social-Media-Nutzern in Mazandaran, die mutmaßlich mit pro-israelischen Plattformen in Verbindung stehen. Offizielle Zahlen zu diesen Fällen wurden jedoch nicht veröffentlicht.

Strafverfolgung wegen Online-Aktivitäten

Im Rahmen der umfassenden Maßnahmen haben iranische Justiz- und Geheimdienste Strafverfahren gegen Dutzende Personen wegen Aktivitäten in sozialen Medien eingeleitet. In Hamadan wurden 24 Personen wegen „Spionage für Israel“ angeklagt. In Yazd haben die Behörden innerhalb nur einer Woche 81 Verfahren gegen Nutzer wegen der Veröffentlichung kritischer Inhalte eingeleitet. Darüber hinaus erhielten mindestens 200 Personen aufgrund ihrer Online-Aktivitäten offizielle Verwarnungen oder Drohungen.

 Mindestens 32 Frauen, darunter auch Minderjährige, wurden inhaftiert.

Unter den 734 bestätigten Inhaftierten befinden sich mindestens 32 Frauen, darunter sechs Frauen in Qasr-e Shirin, zwei in Razavi Khorasan, zwei in Qazvin, eine in Kerman, eine in Teheran und eine in Ilam.

Darüber hinaus wurden 18 Mädchen unter 18 Jahren in Mahabad wegen Social-Media-Aktivitäten festgenommen. Sie wurden später gegen Kaution freigelassen. Eine Europäerin wurde ebenfalls in Mazandaran festgenommen.

Diese Zahlen spiegeln eine überproportional hohe Inhaftierungsrate unter kurdischen Frauen wider, die mindestens 26 der weiblichen Inhaftierten ausmachen. Die Festnahmen sind Teil einer umfassenderen Strategie systematischer Repression, die sich nicht nur gegen politische Opposition, sondern auch gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, insbesondere von Frauen und Minderheiten, richtet.


Kurden im Visier

Kurdinnen und Kurden stellen einen erheblichen Teil der Inhaftierten. In der Provinz Kermanshah wurden 126 Festnahmen bestätigt, und in West-Aserbaidschan (Urmia) wurden weitere 59 Personen festgenommen. Darunter befinden sich mindestens 26 kurdische Frauen und Mädchen. Dies unterstreicht die offensichtlich gezielte Unterdrückung kurdischen Aktivismus und zivilgesellschaftlichen Engagements durch den iranischen Geheimdiensten.

Inhaftierung ausländischer Staatsangehöriger

Unter den Inhaftierten befinden sich zwei afghanische Staatsangehörige, die in Teheran und Buschehr festgenommen wurden. Mindestens acht europäische Staatsbürger, darunter eine Frau, wurden ebenfalls festgenommen. Darunter sind drei ukrainische Staatsangehörige, die in Isfahan festgenommen wurden, während die anderen in Kermanshah, Kohgiluyeh, Boyer-Ahmad und Mazandaran festgenommen wurden.

Die Islamische Republik Iran hat eine dokumentierte Geschichte der Inhaftierung von Ausländern und Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit als Mittel des politischen Drucks und der Zwangsdiplomatie.

 Hinrichtungen von sechs Personen wegen „Spionage für Israel“

Seit Beginn des Iran-Israel-Krieges haben die iranischen Behörden sechs Gefangene hingerichtet, die wegen Spionage für Israel verurteilt wurden. Darunter sind drei kurdische Männer – Idris Ali und Azad Shojaei aus Sardasht sowie Rasoul Ahmad Rasoul aus Sulaymaniyah in der irakischen Autonomieregion Kurdistan –, die heimlich im Zentralgefängnis von Urmia hingerichtet wurden. Die anderen Hingerichteten waren Mohammad Amin Mahdavi Shayesteh, Majid Masibi und Esmail Fekri.

Hengaw äußerte zudem dringende Bedenken hinsichtlich der drohenden Hinrichtung mehrerer weiterer Häftlinge, darunter Ahmadreza Djalali, ein iranisch-schwedischer Staatsbürger mit doppelter Staatsangehörigkeit.

 Hengaw fordert die Weltgemeinschaft zum Handeln auf

Die Hengaw-Organisation für Menschenrechte verurteilt die jüngste Verhaftungswelle aufs Schärfste und die anhaltende Nutzung von Vorwürfen der nationalen Sicherheit durch die Islamische Republik Iran zur Unterdrückung bürgerlicher Freiheiten, einschließlich Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Recht auf ein faires Verfahren. Hengaw fordert die internationale Gemeinschaft und Menschenrechtsorganisationen auf, rasch zu reagieren und eine unabhängige Überwachung und Intervention hinsichtlich der Situation der Gefangenen im Iran sicherzustellen.

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